Erholungsschule Winterthur - Die Erholung wieder erlernen (Tössthaler Zeitung, 28. Oktober 2006)
In der Erholungsschule in Winterthur können Burnout-Gefährdete und Stressgeplagte wieder erlernen sich richtig zu erholen. Die Schule eröffnet ihren Betrieb Anfang nächsten Jahres.
(mh) Von 1977 bis 1997 war Bernhard Brändli als Psychotherapeut in einer eigenen Praxis in Zürich tätig. Danach kam er von den Konzepten der Psychotherapie ab und gründete in Zürich eine Schule zur Persönlichkeitsbildung, wovon die Erholungsschule schon immer ein Teil war. Nun trennte er diesen Teil ab und richtete in Winterthur an der Lagerhausstrasse 18 eine separate Erholungsschule ein, da er einen grossen Bedarf an solchen Schulen feststellte.
In der Tat sprechen die heutigen Entwicklungen für die Einrichtung solcher Schulen. Gemäss einer Studie seien 60 Prozent der Manager in Deutschland burnout-gefährdet, erklärt Brändli. Doch sei hier die hohe Dunkelziffer noch nicht berücksichtigt, sodass die Zahl wahrscheinlich deutlich höher liegen dürfte. Die Ursache dieser Erkrankungen liegt darin, dass wir lernen aktiv zu sein und zu arbeiten. «Wir haben jedoch verlernt, wie wir uns erholen können», sagt Brändli. Nicht nur die Krankheiten nehmen zu, sondern auch der Konsum von Medikamenten und Drogen. Mittlerweile hat sich Kokain in der Managementwelt fest etabliert und gilt als typische Managerdroge. Diese alarmierenden Fakten zeigen Brändli: «Wir erschöpfen uns!»
<h2>Mehr Prävention</h2>
Während man früher in der Erholungsschule vor allem bereits kranke Menschen therapierte, setzt Bernhard Brändli nun vermehrt auch auf Prävention. Deshalb ist die Erholungsschule neu in zwei Module gegliedert.
Das erste Modul bestand schon immer. Hier behandelt man Notfälle: Menschen mit Burnout, welche die Arbeit abbrechen müssen, und chronisch Gestresste, die von einem Spital oder Arzt überwiesen werden. Diese Leute müssen als erstes ein mindestens sechswöchiges Time-out machen. Sie werden aus ihrem Alltag hinaus gerissen und gehen irgendwohin, wo sie ganz alleine sein können, ohne jegliche Ablenkung und Unterhaltung durch Telefon, Fernsehen, Arbeit oder Beziehung.
Bernhard Brändli verhandelt diesbezüglich auch mit dem Bauernhof Schlup in Wila. Dort könnte auch ein solcher Ort sein, fernab von allem was einen ablenkt. «Wer etwas mehr Geld hat, kann auch nach Fuerteventura, Hauptsache man ist für sich alleine», erklärt Brändli. Diese Isoliertheit löst zuerst eine Krise bei den Betroffenen aus. Ist die Krise stark, kümmert sich der ehemalige Psychotherapeut selbst um die Person.
Danach erfolgt eine Nachbetreuung, wobei man schon beim neuen, zweiten Modul ist. Hier geht es nun vor allem um Prävention. Die Teilnehmer treffen sich dabei alle zwei Wochen an einem Abend. Obwohl die Praxis klar im Vordergrund steht, lernen sie auch theoretisch, was zur Erholung gehört. Nach der Zusammenkunft am Abend machen die Teilnehmer in den nächsten 14 Tagen Aufgaben und Übungen zu Hause. Alle haben eine Begleitperson, welche auch am Kurs teilnimmt. Mit dieser sind sie ständig in Kontakt und können Erfahrungen austauschen. Zusätzlich schreiben die Teilnehmenden ein Tagebuch und einen Rapport, der an die Kursleitung gesendet wird. Dieser Kurs dauert ein halbes Jahr, danach werden die Personen wieder ein Jahr in die Berufswelt geschickt, denn sie sollten schliesslich wieder alleine zurecht kommen. Anschliessend bestünde noch die Möglichkeit auf ein weiteres Jahr in der Erholungsschule, wobei die Leute mehr gefordert und auch ausgebildet werden.
<h2>Was man lernt</h2>
Das Leben besteht grundsätzlich aus Aktivität und Erholung, erklärt Berhard Brändli. In der Tierwelt sei es noch immer so, dass zuerst die Erholung komme und nachher die Aktivität. Wir Menschen haben das umgedreht. Wir suchen immer Aktivität und vergessen die Erholung. Dies zu ändern, ist das Ziel der Erholungsschule in Winterthur.
Dazu lernen die Teilnehmer als erstes die drei Säulen der Regeneration: Schlaf, Ruhepause, sich treiben lassen. Die drei Bereiche erforscht Bernhard Brändli mit jedem Individuum persönlich, indem er zu Beginn ein langes Interview führt.
Für die erste Säule wird der Schlaf analysiert und für die zweite das gesamte Lebenstempo, von der Lauf- und Essgeschwindigkeit bis hin zur Zeit, die man auf der Toilette verbringt. Diese zweite Säule, die Ruhepause, ist das Kernelement, denn hier braucht man schon einige Techniken. Brändli weiss jedoch selbst, dass er von Utopien spricht, wenn er rät: «Dreimal pro Tag 15 bis 20 Minuten hinlegen und abschalten».
Beim letzten Bereich, sich treiben lassen, geht es insbesondere darum, einfach da zu sein ohne Unterhaltung oder Ablenkung. Um diese drei Säulen der Regeneration optimal gestalten zu können, erhält man für verschiedene Bereiche des Lebens Tipps und Ratschläge in der Erholungsschule. Ernährung, körperlicher Unterhalt und Stress sind genauso Themen wie der Urlaub. Heute ist die Erholungskomponente der Ferien nicht mehr sehr hoch, meint Brändli: «In den Ferien lebt man eigentlich genau gleich wie sonst. Es ist einfach ein anderer Ort und ein etwas anderer Inhalt.» Doch in dieser Zeit müsste man einmal ganz andere Sachen tun. Wer immer auf dem Land lebt, sollte in die Stadt. Wer Rockmusik mag, sollte klassische Musik hören, um einmal ganz andere Reize aufzunehmen.
Für all die Kurse sind Lehrer als Freelancer angestellt. Viele kommen auch von der Firma Ruhe & Aktivität in Zürich. Diese berät Unternehmen in Sachen Erholung und richtet für Firmen spezielle Ruheräume ein. Die Kurse in der Erholungsschule werden jeweils sorgfältig vorbereitet, zumal auch die Praxis einen sehr grossen Teil davon ausmacht. Für die Erholungsschule, die im Januar 2007 startet, möchte Bernhard Brändli nicht mehr als zwölf Teilnehmer. Anmeldungen sind bereits eingegangen. So ist Brändli zuversichtlich für den Start seiner Erholungsschule in Winterthur, denn dieses Angebot dürfte wahrscheinlich je länger je mehr nachgefragt werden.