Powernap: Macht müde Manager munter (Cash, 19. Januar 2006)
Kurz, aber intensiv: Der Mittagsschlaf kann Wunder wirken.
Das Nickerchen über Mittag gönnt sich kaum jemand mehr. Das könnte sich bald ändern: Immer mehr Firmen richten Ruheräume ein. Und Hotels kommen auch auf den Geschmack.
von Manuela Specker
Napoleon hielt vom Schlafen nicht viel. Er war der Meinung, nur Dummköpfe und Kranke müssten sich für längere Zeit aufs Ohr legen. Dass Albert Einstein gut und gerne zehn Stunden am Stück schlief und wesentliche Aspekte seiner Relativitätstheorie im Bett entdeckte, konnte Napoleon damals noch nicht wissen. Was die beiden Männer immerhin miteinander verband: das Mittagsschläfchen.
Einst war es das Selbstverständlichste auf der Welt. Heute gilt schon fast als faul, wer dem Biorhythmus nachgibt und sich hinlegt. Das allseits bekannte Mittagstief hat nämlich nicht nur mit der Portion Schnipo zu tun, die man über Mittag verdrückt hat, sondern mit der inneren Uhr: Unser Körper schaltet um die Mittagszeit auf Sparflamme.
<h2>Ein kurzes Nickerchen kann Wunder bewirken</h2>
Wenn der Wille zum leistungsfördernden Mittagsschlaf da ist, dann stellt sich vor allem eine Frage: Wo? Im Grossraumbüro die Isomatte auszubreiten ist irgendwie peinlich, die eigene Wohnung viel zu weit weg. Also bleibt nur eins: Kaffee trinken, noch einen Kaffee trinken. Und so wenden wir uns wieder dem Tageswerk zu, mit einem Durchhänger zwar, aber immerhin arbeiten wir.
Wissenschafter haben längst bewiesen, dass ein kurzes Nickerchen die Effizienz steigert und die Fehlerquote senkt. Der durcharbeitende Workaholic ist nicht mehr das Mass aller Dinge. "Firmen fangen an umzudenken, das Interesse an Ruheräumen wächst", sagt Barbara Ryser- Inderbitzin von der Firma "Ruhe und Aktivität", die unter anderem Firmen bei der Einrichtung von Ruheräumen berät.
PricewaterhouseCoopers geht mit gutem Beispiel voran: Seit November 2005, also seit dem Umzug nach Zürich-Oerlikon, können die Mitarbeitenden jederzeit einen der so genannten Sphere-Rooms aufsuchen und bei dezenter Musik im Hintergrund relaxen, innovative Ideen entwickeln oder auch ein Nickerchen machen. "Weil bei uns fast alle das Büro mit mehreren Mitarbeitern teilen, wollten wir die Möglichkeit schaffen, sich zurückziehen zu können", sagt Personalchef Stephan Peterhans.
<h2>Viele würden gerne, aber es fehlt ihnen der Mut</h2>
IBM ist auf diesem Gebiet sehr erfahren: Den Angestellten steht bereits seit 1995 ein Ruheraum mit Liegematten zur Verfügung. Und der wird gemäss Mediensprecher Jochen Reinhardt auch benutzt.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Christoph Jäggi, der beim Nahrungsmittelhersteller Kraft Foods in Bern für Verbesserungen im Arbeitsablauf und in der Sicherheit zuständig ist, erntete einige Lacher, als er einen Ruheraum für Powernaps vorschlug. Doch die Lacher verstummten schon bald, denn die Geschäftsleitung trat auf den Vorschlag ein. Bald werden alle 250 Mitarbeiter über die Möglichkeit informiert und erhalten Tipps zu verschiedenen Entspannungstechniken. "Obwohl die Einführung noch nicht stattgefunden hat, gibt es bereits einige begeisterte Nutzer des Ruheraums ", so Jäggi.
Mario Filoxenidis, Inhaber der Firma Siesta-Consulting aus Wien: "Nur einen Ruheraum zur Verfügung zu stellen reicht nicht, es braucht eine entsprechende Unternehmenskultur. " Das Management soll kommunizieren, dass das Powernapping durchaus erwünscht ist und dass jenen, die den Ruheraum in Anspruch nehmen, keine Nachteile erwachsen.
Das Bedürfnis nach einem Nickerchen über Mittag ist sehr wohl vorhanden, nur will es kaum jemand zugeben, hat das vom Basler Event- Manager Tilo Ahmels initiierte Pilotprojekt "Siestahotel" gezeigt: Vom 14. November bis 21. Dezember 2005 konnten Leute, die in einem der beteiligten Best-Western-Hotels in Basel ("Merian"), Bern ("Bären"), Luzern ("Flora") oder Zürich ("Glockenhof ") das Mittagessen einnahmen, sich nach dem Lunch gratis aufs Ohr legen. Wer nicht im Hotel ass, zahlte pauschal 20 Franken.
Die Aktion ist vorbei, doch das Interesse lässt nicht nach. "Wir werden überrannt mit Anfragen, wann wir das wieder anbieten", sagt Beatrice Imboden, Direktorin des Hotels "Bären" in Bern. Ab 1. März stellt sie deshalb dauerhaft einige Betten für den Mittagsschlaf zur Verfügung - und zwar nicht nur in den Hotelzimmern, sondern auch an der frischen Luft im Innenhof. Damit sicher niemand frieren muss, gibts Wärmeflaschen dazu. Auch das Hotel "Montana " in Luzern prüft ein Angebot mit Mittagsbetten auf der Terrasse.
<h2>Der beste Muntermacher</h2>
Wer sich ein Nickerchen über Mittag gönnt, ist am Nachmittag wacher und leistungsfähiger. Bloss: Das Mittagsschläfchen will gelernt sein. "Es braucht eine gewisse Übung und Regelmässigkeit, um abschalten zu können", sagt Barbara Ryser von der Firma "Ruhe und Aktivität". Und man sollte auf keinen Fall länger als 30 Minuten schlummern, da man sonst in den Tiefschlaf fällt und das Aufstehen zur Tortur wird. Der beste Zeitpunkt für einen Mittagsschlaf ist zwischen 13 und 15 Uhr. Einen besonderen Tipp hat der Regensburger Schlafforscher Jürgen Zulley für Menschen ohne Weckmöglichkeit auf Lager: Vor dem Nickerchen eine Tasse Kaffee trinken. Da das Koffein erst nach 30 Minuten wirkt, stört es nicht beim Einschlafen, macht aber pünktlich wach. Achtung! Wer abends unter Einschlafschwierigkeiten leidet, sollte auf einen Powernap verzichten.
In Zürich gibts einen Ruheraum "Restpoint" an der Sumatrastrasse 5. Er ist von Montag bis Donnerstag jeweils von 12 bis 14 Uhr geöffnet. Pro Ruhepause zahlt man 5 Franken. Weitere Infos unter www.ruhe-aktivitaet.ch.